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Kunst an den urbanen Rändern - offene Ateliers gesucht und gefunden

Kunst an den urbanen Rändern  - offene Ateliers gesucht und gefunden - Patricia Hell und Rita Eller öffnen ihre Tore im Nordhafen.

Offene Atelier am 30 und 31.09.2018 in Mainz

Offene Ateliers ist ein tolles kulturelles Angebot, das für eine begrenzte Zeit den Besuch von Künstlerateliers ermöglicht um in der Regel kostenlos gleichzeitig Kunstwerke, Künstler und Kunstraum erleben zu können. Wo bekommt man sonst diese Kombination geboten und dennoch ist die Zahl deren, die dieses Angebot annehmen leider oft sehr überschaubar, vielleicht liegt das auch etwas an der fehlenden Werbung. Künstler sind ja nicht dafür bekannt, mit den Mitteln von Marketing auf sich aufmerksam zu machen. Dabei zählen "Offene Ateliers" zu den Veranstaltungen, die kulturelles und soziales Leben wunderbar miteinander verbinden können. Aber in Deutschland kommt leider noch etwas Erschwerendes hinzu, das das Erleben von Kunst noch schwieriger macht, wie z. B. in unseren Nachbarländern.  Kulturschaffende verlieren immer mehr an Raum in den Innenstädten. Sie werden mehr und mehr an die Ränder des urbanen Lebens verdrängt, die da heißen, Industriebrachen, leer stehende Hallen - versteckte oft auch vergessene Orte. In Mainz bedeutet dies Nordhafen, Waggonfabrik, Layenhof, alte Patrone etc. Lange Wege für Kunstinteressierte, wenn man die Lokalität überhaupt findet. Das war zum Beispiel im Amsterdam etwas einfacher, wo ich an Pfingsten mitten in der Stadt von Atelier zu Atelier gemütlich laufen konnte. Das Erlebnisreiche konsumieren wird immer schwieriger, nicht nur hinsichtlich der Kunst. Wer z. B. kam auf die glorreiche Idee, ein umfassendes Getränkeangebot aus dem allgemeinen Supermarktangebot in der City auszulagern. Längere Wege für den Kunden, einfachere Logistik für den Anbieter. Manchmal drängt sich schon der Eindruck auf, das ist alles eigentlich nicht für den Menschen gemacht, entgegen den Versprechungen der Werbestrategen. Somit bin ich wieder bei den Künstlern, den die zeigen, was ihnen wichtig ist und nicht was eine Werbelinie suggeriert.

 

Inspirierende Gespräche gepaart mit einem direkten Erleben des Endproduktes erwartet mich am letzten Sonntag, so auch bei Patrica Hell, die im Nordhafen residiert und gemeinsam mit Rita Eller ihre Ateliertore weit geöffnet hatte. 

Schon beim Eintreten blickte ich auf die großflächigen Gemälde, die eine fernöstliche Atmosphäre zum Inhalt hatte. Collagen, die so eingearbeitet waren, dass ich diese zunächst als Teil einer Malkomposition wahrnahm. Eine Geisha, die am Rande eines Sees tanzte, während zwei Männer im Hintergrund dem Badevergnügen frönten. Ich sprang sofort auf dieses Thema an, da ich vor Kurzem einen wunderbaren Bericht über Geishas im Arte-Programm gesehen hatte. Der Begriff Geisha beinhaltet ja zwei Attribute die zusammengesetzt, Kunst oder Künste (Gei ) und Person (sha () somit (Unterhaltung)Künstler(in) bedeutet. Das „in“ muss ich in Klammern setzen, da zu Anfang dieses Amt des Alleinunterhalters bei Hofe nur von Männern ausgeübt werden durfte. Die ersten Frauen, die etwa ab dem 17. Jahrhundert den Beruf auszuüben begannen, wurden onna geisha (女芸者, „weibliche Geisha“) genannt. Um eine hoch angesehene Geisha zu werden, muss man erst den Weg einer Maiko gehen. 5 Jahre lernt die künftige Geisha die Grundlagen der traditionellen japanischen Künste wie Kalligrafie und das Spiel auf mehreren Musikinstrumenten. Eine Geisha muss gewandt in Konversation und eine gute Sängerin, Tänzerin und Gastgeberin sein und außerdem die Teezeremonie beherrschen. Wer also diesen Begriff auf Prostitution verengt, liegt deutlich falsch.

Auch eine weitere Werkreihe von Patrizia Hell widmet sich starken Frauen. Ihre Bildobjekte, wie z. B. eine Venus Reihe entstanden aus dem Schreddern alter von ihr bedruckter CD´s , wobei der in die Jahre gekommene Schredder das Werk selten komplett vollendete. So entstanden Malgründe, die Patrizia Hell künstlerisch weiter bearbeiten konnte. So z. B. auch eine Nahtstelle, die quer über den Körper der liegenden Maja von Francisco José de Goya verläuft. Besonders gut hat mir jedoch die Olympia des Malers Édouard Manet gefallen, die sich nun wie auf einem Triumphbogen dem Betrachter selbstbewusst präsentiert.

Als Nächstes widmete ich mich den Zeichnungen der Künstlerin, die ebenfalls großflächig den Raum füllten. Zum einen waren es Gebirgslandschaften zum anderen Pappelbäume, die jedoch nicht in Grün, sondern ganz in Tusche gehalten grau-schwarz-weiß daher kamen. Nach den Worten der Künstlerin ging es ihr bei diesen Abbildungen mehr um die Bewegung als um die naturgetreue Darstellung der Flora. Und was bringt die Seele von Pappeln besser zum Ausdruck als Bewegung. Jeder, der in Rheinhessen groß geworden ist und die langen Pappelalleen an den kleinen Bachläufen kennt, kann dies nachvollziehen,

 

Mein „Summer of 70-79“ verbrachte ich oft mit meinen Freunden unter den Pappeln, die übergroß über unseren Köpfen hinweg ein wunderbares Bewegungsspiel von Licht und Schatten sowie eine rauschende Geräuschkulisse boten. Wenn ich heute noch daran denke, überkommt mich eine ruhige Wohlempfindung mit Namen Heimat. Und im Herbst, ja im Herbst haben wir dann die Unmengen an Stare aus den Pappelwipfeln vor uns hergetrieben. Bewegung über Bewegung, die Patrice Hell hier vor meinen Augen und Gedanken wunderbar auf die Leinwand getuscht hat.

 

Weitere Info: https://www.patriciahell.de/index.html