Grenzenlose Freiheit – eine Illusion?

Live-Perfomance "Walze" in der Walkmühle Wiesbaden im Rahmen der Ausstellung

Wood, Metal, Burns, Paint, Plexiglas, Neon, Copper, Klasse für Bildhauerei, Kunsthochschule Mainz, 06.06.2018

 

Endlich komme ich dazu die wunderbaren Ausstellungen der Studierenden der Kunsthochschule Mainz, die ich in der letzten Zeit besucht habe zu reflektieren. Beginnen möchte ich mit der aktuell noch laufenden Ausstellung auf der – wie man so schön in Mainz sagt - ebsch Seit – in Wiesbaden.

Dort gibt es nämlich ein richtiges Kleinod an Ausstellungsraum – und zwar die Walkmühle im Bornhofenweg 9. Seit 12 Jahren ist dort der Künstlerverein Walkmühle e.V. beheimatet.

 

Das alte Fabrikgelände trotzt, wie das berühmt gallische Dorf aktuell der gehobenen Wohnbebauung die ringsherum am Entstehen ist. Da liegt es doch nahe das die Bildhauerklasse von Frau Prof. Groß die Vielfältigkeit von Baumaterialien künstlerisch in Szene setzt.

Im Wohnungsbau eher Beton – hier Wood, Metal, Burns, Paint, Plexiglas, Neon und Copper – für die Gewinnmargen der Bauträger leider viel zu teuer – für Kunst gerade gut genug.

Persönliche Freiheit und Grenzen ist der Kontext der Arbeiten – so steht es geschrieben. Ich habe mir angewöhnt zeitgenössische Kunst persönlich - mit dem Genuss einer starken priese „Freiheit“ zu begegnen. Natürlich ist es auch interessant zu wissen, was sich die Künstler selbst dabei gedacht haben, da aber die Abstraktionen in den aktuellen Arbeiten rund um den Globus in unendliche Höhen entfliehen, ist der Betrachter mehr denn je aus meiner Sicht, aufgefordert für sich einen eigenen Orientierungs- und Erfahrungspunkt zu setzen. Sonst könnte die künstlerische Wertschöpfung schnell im Zuge des Nichtverstehens und aus einer unachtsamen Laune heraus wirkungslos und unbeachtet bleiben. Wenn am Ende nur Ästhetik bleibt, mutiert Kunst zum Raumgegenstand. Insbesondere die Video- und mediale Kunst – die man ja nicht in einen Rahmen packen und mit einem Nagel an die Wand hängen kann, muss noch eine Form der Bewahrung und Weitergabe an die nächsten Generationen gefunden werden.

Aber zurück zur Ausstellung. Die Kunstschaffenden haben mit 18 Werkarbeiten völlig verschiedene, mitunter mehrteilige Installationen, Skulpturen, Plastiken, Videos, Fotografien und Zeichnungen Überraschendes und Anregendes in die Walkmühle gebracht. Die weis gekalkten Wände  nahmen die spartanisch und streng gegliederten Objekte wie Fremdkörper auf. Selbst die sofort als Fitnessstudio zu identifizierte Rauminstallation von Selma Georgi wirkte wie ein fremdes Raumschiff in dem sonst so vertraut wirkenden Werkstattraum. Der vom Künstschaffenden gedachte Kontext war die Hinterfragung der Selbstoptimierung. Der Kraftraum wirkte auf mich fremdartig, kraftlos und leer. 

Besonders aufgefallen ist mir die weiße in sich gesprungene Farbfläche, die wunderbar das Raumgefühl in sich aufnahm und wieder reflektierte. Jeder, der eigene Erfahrung mit Werkräumen hat, kennt dies, wenn Wandfarbe aus Unachtsamkeit auf einen unbehandelten Steinboden läuft und anschließend trocknet. Aber in diesem Kunstobjekt war mehr – war Leben zu spüren, das vergangen ist, in einer nicht enden wollenden Trockenheit. Wie der Boden in der Wüste oder wie das Salz auf einen Chot. Das Prozesshafte bestimmt das Erscheinungsbild ihrer Werke, so konnte ich es nachlesen. Letztendlich ist es bei allen menschlichen Werken so (ich erinnere nur an das weltberühmte Wandfresco von Michelangelo) – Zeit ist einfach die Grenze menschlicher Freiheit und mit diesem Kunstwerk grandios auf den Punkt gebracht.

Erwähnen möchte ich noch ein Objekt direkt am Eingang, das aussah wie die vielen Luftmatratzen, die ich für meinen Sohn in den unzähligen Sommerurlaubsorten gekauft habe und die sich anschließend einsam im Hotelpool einen neuen Benutzer suchen mussten. So verloren stand die Liege auch da, nicht wirklich bereit jemanden bequem Platz zu bieten. Ein Zwiespalt direkt am Eingang, wie es das Wiesbadener Tageblatt zur Eröffnung der Ausstellung in einem Artikel treffend beschrieben hat.

Da ich die Ausstellung im Rahmen des 74. Kunst-Salon besuchte, erwartet mich noch eine Live-Perfomance, die insbesondere die große Holzwalze von Nicklas in Szene setze. Dieses Objekt passte auch sehr gut zur Geschichte der Walkmühle, die ja ursprünglich mal eine Mühle war, wo Seiler, Schlosser und Waffenschmiede die vom Wasser umgewandelte Energie zur Erzeugung der eigenen Güter nutzten.

Die Zuschauer konnten live verfolgen, wie die Holzwalze eine Papierbahn bedruckte. Parallel wurden die anderen Räume und deren Objekte von Kunststudenten „performt“. Hierbei entstand eine wundersame Atmosphäre und Energie, die man erlebt haben muss. Eindrücklich war für mich, obwohl nun Bewegung ins Spiel kam, wie die Räume und die Objekte weiterhin in sich leer, kalt und ohne Bezug zueinander blieben. Dazu kamen noch harte – zum Teil metallische Geräusche – die diesen Eindruck noch weiter verstärkten.

 

 

Nächster Termin: 17. Juni ab 17 Uhr: Finissage und Präsentation des Ausstellungskataloges

Weitere Info: http://www.walkmuehle.net/VERANSTALTUNGEN/2018/1805Bildhauerklasse1.html