Gestern zum Abschluss der Arbeitswoche ging es nach Mainz-Bretzenheim ins Zentrum für Osteuropa in die Hans-Böckler-Str. Von außen wirkte der nüchterne Bau aus den 60 Jahren wie aus der Zeit gefallen. In Ost wie in West war die Architektur dieser Jahre einer generellen Zweckmäßigkeit unterworfen, vieles musste schnell entstehen, Menschen benötigten Wohnraum und Platz für die Entwicklung eines Gemeinwesens.1971 wurde der ZMO als „Zentralverband der Mittel- und Ostdeutschen“ von Vertriebenen in Mainz gegründet. Als Unterstützer der damals neuen Ostpolitik von Willy Brandt sahen sie in dieser eine Chance zur Wiedergutmachung und Versöhnung. Und noch heute ist der Verein sehr aktiv - genau genommen ist die Aufgabenstellung, die der Verein übernimmt, aktueller denn je. Auch wenn wir das Jahr 2018 schreiben, die Herausforderungen, die vor uns liegen sind fast identisch. Und immer wieder ist bei der Bewältigung der Zukunftsaufgaben die Kultur ein guter Wegbegleiter.
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„Zwischen Himmel und Erde“ heißt die neue Ausstellung der Werke von Kamen Kissimov im ZMO. Schon bei Eintreten merkt man, das hier die Kultur nicht abgehoben, sondern mitten im Vereinsleben zu bestehen hat. An einem Nebentisch eine Schachgruppe vertieft ihn ihrem Spiel. Auf den Leinwänden– quasi als Widerhall – des Öfteren auch schachbrettartige Muster und sogar Schachfiguren. Kamen Kissimov liebt diese geometrischen Formen – so kann man z.B. ein Tisch mit zwei Frauen bewundern: Die Frau unter dem Tisch hat das Tischtuch mit dem Schachbrettmuster sogar über dem Kopf liegen. Frau Hager, die ein paar Gedanken zur Eröffnung sprach, meinte, bei dem Blick auf die oft dargestellten Frauenfiguren, dass dies ja auch zu Frauen gut passen würde, immer einen Schritt voraus und diesen wohl gut überlegt.
Mir viel besonders ein Bild auf, das mit einem Schrank auf einer Klippe - mitten im hohen Gras stehen - aufwartete. Am Schrank angelehnt steht ein altes Fahrrad. Was wohl alles in diesem Möbelstück ist oder war – ist es nun über die Klippe gegangen? Wo ist der Fahrradfahrer? Macht er genüsslich eine Pause, da er den Ballast los geworden ist? Aber warum kann er sich nicht vom Schrank trennen? Vielleicht weil er eine dicke Panzerung hat? Er steht ja auch sehr anschaulich und friedlich im hohen Gras, das sich graziös im Winde wiegt.
So liebe ich die Kunst – anregend, inspirierend und auch ein wenig rätselhaft. Geschichten mit einem Funken Ironie scheint die Leidenschaft des Künstlers anzusprechen. Ob nun eine Katze auf dem Kopf einer Frau majestätisch thront oder das Eva, im dunklen Schwarz, dabei herausstechend - einen Apfel dem Betrachter direkt entgegenstreckt.
Stilistisch fallen mir bei den Bildern oft die alten Meister ein. Der goldene Helm – in Mainz von einer Frau getragen - springt mir sofort ins Blickfeld. Auch die Anordnung der drei Frauen sowie der halb schräg über die Schulter gerichtete Blick vieler dargestellten Frauen erinnert sehr stark an die alten niederländischen Meister.
In der Vita las ich, dass die Vorbilder von Herrn Kissimov vor allem Rembrandt van Rijn und auch Johannes Vermeer sind.
Kamen Kissimov ist 1972 in Bulgarien, geboren. 1990 erhielt er sein Diplom an der dortigen Kunstoberschule. Seit 1992 arbeitet er als freischaffender Künstler in Bulgarien und seit 2002 abwechselnd in Bulgarien und in Deutschland. Die Ausstellung läuft noch bis zum 14.04. 2018. Ein Besuch lohnt sich.
Nähere Infos zu ZMO: https://zmo-mainz.de/terminkalender/
Nähere Info zum Künstler: https://www.mediathek-hessen.de